Das grüne Internet: Nachhaltige Webanwendungen gestalten

März 6, 2025 | Techartikel | Autor: Dr. Matthias Sommer

Das Internet verursacht weltweit rund 3,7 % der globalen CO-Emissionen – Tendenz steigend. Webseiten, Rechenzentren und Netzwerke benötigen Energie, die oft aus fossilen Brennstoffen stammt. Durch nachhaltige Webpraktiken wie effizientes Design, optimierte Datenübertragung und grünes Hosting lässt sich dieser Energieverbrauch senken und die CO-Emissionen reduzieren.

Mit der wachsenden Zahl von Internetnutzern und datenintensiven Anwendungen wie Videostreaming, Blockchain und Künstliche Intelligenz steigt der Energiebedarf. Prognosen zufolge könnten Rechenzentren bis 2030 bis zu 13% des weltweiten Stroms verbrauchen. Web-Nachhaltigkeit hilft, diese Entwicklung zu verlangsamen.

Da das Internet ein wesentlicher Teil unseres Lebens geworden ist, tragen Webentwickler, Designer und Unternehmen Verantwortung dafür, es nachhaltig zu gestalten. Ein umweltfreundliches Internet fördert eine ethische digitale Zukunft und zeigt das eigene Engagement für den Umweltschutz.

Web-Nachhaltigkeit ist somit ein Schritt in Richtung einer effizienteren, umweltfreundlicheren und kosteneffektiveren digitalen Welt.

INHALTSVERZEICHNIS  

1. GRUNDPRINZIPIEN DER WEB-NACHHALTIGKEIT

Die folgenden Grundprinzipien helfen dabei, Webanwendungen effizienter, benutzerfreundlicher und umweltfreundlicher zu gestalten. Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen können Unternehmen nicht nur zur Reduzierung der CO₂-Emissionen beitragen, sondern auch die Performance verbessern und Kosten einsparen. Im Allgemeinen ist das Ziel Karbon-Effizienz, also die Minimierung von Emissionen, von sogenannten CO₂-Äquivalenten, die durch den Betrieb und die Nutzung der Webanwendungen entstehen.

Im Folgenden sind ein paar erste Richtlinien auf dem Weg zu einer ressourcen-schonenden Anwendung aufgeführt. Wir möchten hier einen Einstieg in die Materie geben und den Leser anregen, in den aufgeführten Referenzen tiefer einzusteigen.

Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an Best Practices für umweltfreundliche Webseiten. Die Webseite websustainability.de beschreibt in sieben Kategorien über 100 konkrete Maßnahmen, die nach Aufwand und Auswirkung gefiltert werden können. Das online verfügbare Handbuch vom Institutes for Sustainable IT möchte den Leser durch konkrete Fragestellungen zu einer nachhaltigen Umsetzung von digitalen Service begleiten. Dabei betrachten sie über 500 Kriterien in acht Kategorien.

Im Folgenden haben wir konkrete Tipps und Ratschläge herausgegriffen, die relativ schnell mit Mehrwert umgesetzt werden können. Sie sind dabei so allgemein, dass sie für die meisten Webanwendungen umsetzbar sein sollten.

Einige Maßnahmen mögen Ihnen bereits aus anderen Gründen bekannt sein. Das Schöne daran ist, dass diese oft nicht nur die CO2-Emissionen verringern, sondern auch positive Einflüsse auf andere Qualitätskriterien, wie Performanz und Barrierefreiheit haben.

1.1 EFFIZIENTE UND NACHHALTIGE UMSETZUNG VON WEBANWENDUNGEN

Durch effizientes Anwendungsdesign verringern wir nicht nur den ökologischen Fußabdruck der Webapplikation, sondern erzielen gleichzeitig ein schnelleres und reibungsloseres Arbeiten mit der Anwendung durch den Benutzer.

Die Nutzung von Caching und Content Delivery Networks (CDN) verringert die Anzahl von Server-Anfragen und verteilt Inhalte effizienter. Lokales Caching im Browser des Nutzers hat den Vorteil, dass für sich seltene ändernde Daten kein neuer Aufruf durchgeführt werden muss. Zudem reagiert die Anwendung schneller auf die Eingabe des Nutzers.

Die Verwendung von CDNs muss jedoch differenziert betrachtet werden. Auch die Verteilung auf viele Knoten weltweit verbraucht Energie. Dabei spielt die Häufigkeit des Ausspielens von Änderungen eine Rolle. Daten sollten somit nur nahe der Zielgruppe zur Verfügung gestellt werden und nur in der benötigten Häufigkeit neu auf die Knoten des CDN verteilt werden.

Durch das Komprimieren von Bildern, Videos, den Programmdateien der Anwendung und der transportierten Daten zwischen Server und Client sparen wir an Daten und somit CO₂-Verbrauch ein. Moderne Bildformate wie WebP oder SVG können die Dateigrößen von Grafiken spürbar reduzieren. Dadurch werden Ladezeiten verkürzt.

Verzichten Sie auf überflüssige Animationen, Effekte oder Widgets, die unnötige Rechenleistung beanspruchen. Automatisch abspielende Videos und Hintergrundanimationen verbrauchen unnötig Energie. Inhalte wie Bilder und Videos sollten erst geladen werden, wenn sie sichtbar werden.

Auch das Bewusstsein über die eingebundenen Pakete aus anderen Quellen kann einen Unterschied machen. Je weniger externe Abhängigkeiten genutzt werden, desto weniger müssen diese zum Bauen der Anwendung und während der Laufzeit nachgeladen werden. Zum Beispiel gibt es datenschutzfreundliche und nachhaltige Alternativen zu Google Analytics.

Das Ziel ist, Anwendungen zu schaffen, die die gewünschten Funktionalitäten anbieten, dabei jedoch weniger Energie in Datenzentren und auf den Endgeräten verbrauchen.

1.2 BARRIEREFREIE UND NACHHALTIGE WEBANWENDUNGEN

Auch die Themen Accessibility (Barrierefreiheit) und Kohlenstoff-Effizienz können sich gegenseitig positiv bedingen. Eine barriere­freie Website ermöglicht allen Menschen, unab­hängig von ihren individu­ellen Einschrän­kungen, den Zugang zu allen Inhalten.

Fokussieren Sie auf klares, modernes Design. Das führt nicht nur zu besserer Kompatibilität mit Screenreadern, sondern auch zu weniger Rechenaufwand, die Webseite zu rendern.

Achten Sie darauf, dass die Website für alle Endgeräte optimiert ist, um unnötige Datenübertragung zu vermeiden. Dazu zählt auch die Verwendung von responsiven Grafiken, d.h. die Grafiken in der benötigten Auflösung und Größe auszuspielen. Wenn wir auf Netzwerkeffizienz optimieren, macht es die Anwendung auch besser nutzbar für Menschen mit schlechter Netzanbindung oder veralteten Geräten.

Podcasts und Videos können transkribiert werden, was nicht nur die Zugänglichkeit für taube Menschen erlaubt, sondern gleichzeitig weniger Datenvolumen benötigt als diese anzuhören bzw. anzuschauen.

1.3 KOSTENEFFIZIENTE, NACHHALTIGE WEB-APPLIKATIONEN

Wir wollen Webanwendungen so bauen, dass sie im Betrieb und in der Erstellung möglichst wenig kosten. Das harmoniert, da weniger Strom zu erzeugen und weniger Hardware zu benötigen, heißt, weniger Geld auszugeben.

Alle Architekturentscheidungen, die den Stromverbrauch senken, der beim Betrieb unserer Webanwendung entsteht, senken die Betriebskosten und auch die CO₂-Emissionen.

Viele Anwendungen sind mittlerweile bei Cloud-Anbietern wie Azure oder AWS gehostet. Mit einer sinnvollen Autoscaling-Policy kann Verfügbarkeit, Performance, Kosteneffizienz und Kohlenstoff-Effizienz in einem bestimmten Rahmen vereinbart werden.

Viele Cloud-Anbieter arbeiten momentan an Lösungen, die den Nutzern erlauben, Kohlenstoff-Effizienz ihrer Anwendungen zu analysieren und zu optimieren.

Microsoft bietet mit Azure Carbon Optimization einen Dienst an, mit dem der CO₂-Fußabdruck der letzten zwölf Monate gemessen und minimiert werden kann (Abb. 1). Ebenso bietet der Dienst Empfehlungen an, um karbon-effizienter zu werden und Kosten einzusparen.

Abbildung 1: Monitoring von Emissionstrends mit Azure Carbon Optimization

AWS Auto Scaling erlaubt das dynamische Hochfahren und Herunterfahren der AWS-Ressourcen basierend auf der momentanen Systemlast.

Des Weiteren können Sie kosten sparen und CO₂-Effizienz erlangen, indem Sie Test- und Staging-Umgebungen herunterfahren, wenn diese nicht benötigt werden, etwa nach den typischen Bürozeiten.

Bei der Entscheidung, ob der Code auf dem Server oder dem Client läuft, müssen Trade-Offs gemacht werden. Berechnungen, die oft in identischer Weise gemacht werden müssen, könnten besser auf dem Server laufen und sparen somit in der Datenkommunikation und dem Energieverbrauch auf den Endgeräten. Das geht jedoch mit der Einschränkung einher, dass dafür mehr Energie auf dem Server aufgewandt werden muss. Deswegen ist so wichtig, die CO₂-Emissionen über die ganze Wertschöpfungskette zu betrachten.

1.4 GRÜNES HOSTING

Um den CO₂-Fußabdruck weiter zu vermindern, sollten Sie nachhaltige Hosting-Anbieter, die ihre Rechenzentren mit Strom aus erneuerbaren Quellen betreiben, wählen. Achten Sie auf Zertifikate wie die von Green Web Foundation oder Energy Star, die umweltfreundliches Hosting bestätigen.

Auch für AraCom ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Wert. Deswegen betreiben wir unsere Webseite klimaneutral auf den Servern des nachhaltigen Hosting-Anbieters Ionos. Dieser bezieht für seine Rechenzentren Ökostrom aus Windkraft und erneuerbaren Energien.

Die Green Web Foundation ist eine Non-Profit-Organisation, deren Ziel ist, ein Internet zu schaffen, das frei von fossilen Brennstoffen ist. Ihre Webseite bietet eine Übersicht grüner Hosting-Anbieter nach Ländern an. Hier sind momentan über 300 Firmen aus über 30 Ländern gelistet.

Nicht immer steht regenerative Energie an allen Orten zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung.

Eine Studie zeigt, dass durch die geschickte Verschiebung rechenintensiver Aufgaben, signifikante Einsparungen von über 50% beim CO₂-Verbrauch erzielt werden können. So könnte man etwa sich wiederholende Aufgaben wie Importe aus externen Datenquellen oder die sogenannten Nightly-Builds der Anwendung in den Tag legen, um Strom aus Photovoltaik und Windenergie zu nutzen.

2. NACHHALTIGKEIT ÜBER DEN GESAMTEN LEBENSZYKLUS

Möchte man Optimierungen über die gesamte Kette eines digitalen Dienstes optimieren, müssen zusätzlich zur eigenen Anwendung die folgenden Komponenten betrachtet werden:

  • Datencenter: Energie, um Daten zu speichern und bereitzustellen
  • Netzwerke: Notwendige Energie, um Daten zu übertragen
  • Endgeräte: Die Energie, die die Endgeräte der Nutzer bei der Verwendung der Anwendung verbrauchen

Basierend auf einer Studie der International Energy Agency (IEA, 2022) verteilt sich der Stromverbrauch bei der Nutzung eines digitalen Dienstes wie folgt:

Rechenzentrum

Netzwerke

Endgeräte

22%

24%

54%

 

Im Allgemeinen sollte Effizienz und Nachhaltigkeit bereits in der Konzeptionsphase eingeplant werden. Somit ist nachhaltiges Design von Anfang Teil des Systems. Durch regelmäßige Audits sollte die Website hinsichtlich der gesetzten Qualitätskriterien, wie Performance und Energieverbrauch, kontinuierlich überprüft und optimiert werden. Diese Tätigkeiten werden in vielen Firmen durch dedizierte Stelle, etwa von Sustainability Managern, umgesetzt.

Es gibt verschiedene Wege, das eigene Commitment zu zeigen, ein nachhaltigeres Internet zu schaffen. Durch eine Unterschrift des Sustainable Web Manifesto verpflichtet man sich, dass die eigenen digitalen Dienste

  • mit nachhaltigen Energien betrieben werden
  • so effizient wie möglich umgesetzt sind
  • offen gestalten sind, so dass Nutzer die Hoheit über ihre Daten behalten
  • ehrlich sind und Nutzer nicht durch Design oder Inhalt verleiten
  • eine nachhaltige Wirtschaft unterstützen
  • resilient sind und zur richtigen Zeit und den richtigen Orten funktionieren, wenn Menschen sie benötigen

Dieses Manifest enthält Prinzipien, um digital Produkte zu erstellen, die durch die Einhaltung von nachhaltigen Praktiken positiv auf unsere Umgebung und die Gesellschaft einwirken.

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3. CO2-FUSSABDRUCK MESSEN

Um den Fußabdruck der eigenen Webseite zu testen, können sie Onlinerechner wie https://websustainability.de/co2-calculator nutzen. Diese zeigen Ihnen die prognostizierten CO₂-Emissionen pro Abruf an (Abb. 2).

Abbildung 2: CO2-Emissionen für die Webseite aracom.de

Dieser Wert wird mit dem Sustainable Web Design Model (SWDM) berechnet. Dieses Model approximiert die Emissionen auf Grundlage zahlreicher Faktoren

  1. Datentransfer beim Laden der Webseite
  2. Geschätzte Emission des Rechenzentrums
  3. Geschätzte Emission der Datenübertragung
  4. Geschätzte Emission des Endgeräts
  5. Faktor, ob das Rechenzentrum Strom aus regenerativen Quellen bezieht
  6. Verhältnis zwischen wiederkehrenden und neuen Aufrufen
  7. Anteil der Aufrufe aus dem lokalen Cache für wiederkehrende Nutzer

Die Schätzung für die Emissionen der Punkte 2,3 und 4 basieren auf den Ergebnissen mehrerer Studien, so dass das SWD-Modell schlussendlich diese Werte annimmt:

  • Rechenzentrum: 0.055 kWh/GB
  • Netzwerk: 0.059 kWh/GB
  • Endgeräte: 0.080 kWh/GB

Eine Metastudie aus 2017 analysierte 14 Studien zum Energieverbrauch von Internetkommunikation und kam zum Ergebnis, dass eine akkurate Abschätzung der genutzten Energie, um Daten durch das Internet zu verschicken 2017 bei 0.06 kWh/GB lag.

Die Annahme dabei ist, dass die CO₂-Emissionen einer Webseite anhand dieser Daten approximiert werden können. Außen vorgelassen wird dabei die Energie, die für den Bau der Rechenzentren, der Server und dem Verlegen der Infrastruktur aufgewandt wurde.

Schlussendlich wird auch dieses Modell regelmäßig auf neue Veränderungen angepasst werden müssen.

Cloud-Anbieter wie Google Cloud und Amazon (AWS) bieten Tools um den eigenen CO₂-Fußabdruck zu messen, zu überprüfen und zu prognostizieren. Dadurch bekommen Sie ein detailliertes Emissionsprofil ihrer Cloud-Projekte. Die Berichte basieren auf dem Greenhouse Gas Protocol, einem industrieweit anerkannten Standard für die Berichterstattung und Bilanzierung von Treibhausgasen.

Zu empfehlen ist auch Ecograder, eine Online-Anwendung, die nicht nur die Emissionen einer Webseite schätzt (Abb. 3), sondern auch konkrete Verbesserungsvorschläge in den Bereichen UX, Hosting und Optimierung gibt.

Abbildung 3: Ecograder Report