Die Sicherheit der Software Supply Chain: Eine wachsende Herausforderung für Unternehmen

Januar 23, 2025 | Techartikel | Autor: Christian Gießler

Im heutigen digitalen Zeitalter ist die Sicherheit von Software von entscheidender Bedeutung. Im Mittelpunkt steht dabei die Software Supply Chain, die alle Schritte von der Entwicklung bis zur Bereitstellung von Software umfasst. Diese Kette umfasst den Quellcode, die Build-Prozesse, die Paketierung, den Vertrieb, die Ausführung der Software sowie alle Abhängigkeiten von Software von Drittanbietern. Potenzielle Sicherheitsrisiken können sich an jedem dieser Punkte ergeben.

Besorgniserregend ist, dass Sicherheitsvorfälle in der Software-Lieferkette in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Diese Vorfälle verursachen nicht nur erhebliche finanzielle Schäden, sondern können auch das Vertrauen der Kunden nachhaltig erschüttern und die Reputation der Unternehmen gefährden.

INHALTSVERZEICHNIS  

1. RISIKEN IN DER SOFTWARE SUPPLY CHAIN

Die Bedrohungslandschaft in der Software-Lieferkette ist vielfältig und komplex:

1. Schwachstellen in Softwarekomponenten:
Ein prominentes Beispiel ist die Log4j- Schwachstelle, die Ende 2021 entdeckt wurde und zahlreiche Systeme weltweit gefährdete.

2. Hacks von Software-Anbietern:
Der Angriff auf SolarWinds im Jahr 2020 und der jüngste Angriff auf das xz-Projekt im Jahr 2024 zeigen, wie weitreichend die Auswirkungen sein können, wenn Angreifer Zugang zu vertrauenswürdigen Softwareanbietern erhalten.

3. Dependency Confusion:
Bei dieser Angriffsstechnik nutzen Angreifer Schwachstellen in Paketmanagern aus, um Schadcode in Softwareprojekte einzuschleusen.

4. Kompromittierung der Build-Infrastruktur:
Wenn Angreifer Zugriff auf die Build- Umgebung erhalten, können sie Schadcode in das fertige Softwareprodukt einschleusen.

5. Unverified Code Commits:
Ohne strenge Überprüfung können Angreifer Schadcode in Repositories einschleusen.

6. Verwendung von Komponenten mit unsicheren Lizenzen:
Dies kann nicht nur zu rechtlichen Problemen führen, sondern auch zu Sicherheitsrisiken, wenn die Komponenten nicht ausreichend gewartet werden.

7. Fehlkonfiguration von Cloud-Umgebungen:
Öffentlich zugängliche S3 Buckets sind ein klassisches Beispiel für Fehlkonfigurationen, die zu Datenlecks führen können.

Abbildung 1: Risiken in der Software-Lieferkette

2. SECURE DEVELOPMENT ALS LÖSUNG

Um diesen vielfältigen Risiken zu begegnen, ist ein umfassender Ansatz des Secure Development unerlässlich:

1. Secure by Design:
Sicherheitsaspekte müssen von Anfang an in den Entwicklungsprozess integriert werden. Dies bedeutet, dass Sicherheit nicht als Zusatz, sondern als grundlegendes Designprinzip betrachtet wird.

2. Threat Modeling:
Durch systematische Analyse von Bedrohungen und Schwachstellen können potenzielle Angriffsvektoren frühzeitig identifiziert und adressiert werden.

3. Sichere Programmierpraktiken:
Entwickler müssen in sicheren Programmiertechniken geschult werden. Dies umfasst Themen wie Input-Validierung, sichere Authentifizierung und Autorisierung sowie sichere Handhabung von sensiblen Daten.

4. Software Composition Analysis (SCA):
Regelmäßige Überprüfung von Drittanbieterkomponenten auf bekannte Schwachstellen ist entscheidend, um Risiken durch veraltete oder unsichere Bibliotheken zu minimieren.

5. Kontinuierliches Monitoring und Patch-Management:
Die Software Supply Chain muss kontinuierlich auf neue Bedrohungen überwacht werden. Sicherheitsupdates müssen zeitnah eingespielt werden, um bekannte Schwachstellen zu schließen.

6. Sicherheitsüberprüfungen und Audits:
Regelmäßige Überprüfungen der Sicherheitsmaßnahmen helfen, Schwachstellen zu identifizieren und die Effektivität der implementierten Sicherheitskontrollen zu bewerten.

7. Umsetzung des Least-Privilege-Prinzips:
Das Least-Privilege-Prinzip sollte konsequent umgesetzt werden. Benutzer, Programme und Prozesse sollten nur die minimalen Berechtigungen erhalten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Dies reduziert die Angriffsfläche erheblich, schränkt die Verbreitung von Schadsoftware ein und erhöht die Systemstabilität. Regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen der Zugriffsrechte sind notwendig, um sicherzustellen, dass keine übermäßigen Berechtigungen bestehen bleiben.

Abbildung 2: Secure Development

3. SOFTWARE BILL OF MATERIALS (SBOM)

Eine Software Bill of Materials (SBOM) ist eine umfassende Auflistung aller Softwarekomponenten, die in einem Produkt verwendet werden. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Sicherung der Software-Lieferkette und bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile:

 

Transparenz und Rückverfolgbarkeit

  • Komponentenübersicht: Eine SBOM schafft Transparenz über die verwendeten Softwarekomponenten und deren Herkunft. Dies ist besonders wichtig, um das Vertrauen in die Integrität der Software zu stärken.
  • Nachvollziehbarkeit: Durch die detaillierte Auflistung können Unternehmen nachvollziehen, welche Komponenten in ihren Anwendungen enthalten sind, was die Identifikation potenzieller Sicherheitsrisiken erleichtert.

 

Sicherheitsmanagement

  • Identifizierung von Schwachstellen: SBOMs ermöglichen es Organisationen, Sicherheitsrisiken schnell zu identifizieren, insbesondere wenn neue Schwachstellen bekannt werden. Wird beispielsweise eine kritische Schwachstelle in einer Open- Source-Komponente entdeckt, können Unternehmen sofort überprüfen, ob sie diese Komponente verwenden und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
  • Automatisierte Überwachung: Tools können mit Hilfe von SBOMs kontinuierlich nach bekannten Schwachstellen suchen und diese mit Datenbanken wie der National Vulnerability Database (NVD) abgleichen. Dies stellt sicher, dass Unternehmen zeitnah auf neue Bedrohungen reagieren können.

 

Standards und Formate

Es gibt verschiedene Standards für SBOMs, darunter CycloneDX und SPDX, die den Austausch und die Interoperabilität von SBOM-Daten zwischen verschiedenen Systemen erleichtern. Diese Formate bieten unterschiedliche Detaillierungsgrade, so dass Unternehmen das für ihre Bedürfnisse am besten geeignete Format wählen können.

 

Herausforderungen bei der Umsetzung

  • Erstellung und Pflege: Die Erstellung einer vollständigen und korrekten SBOM kann sowohl manuell als auch automatisiert erfolgen. Die Sicherstellung der Vollständigkeit und Richtigkeit stellt jedoch eine Herausforderung dar. Unternehmen müssen Prozesse entwickeln, um ihre SBOMs regelmäßig zu aktualisieren und zu überprüfen.
  • Organisatorische Anforderungen: Die Implementierung von SBOMs erfordert oft erhebliche Anpassungen in den Softwareentwicklungsprozessen sowie den Aufbau von Kompetenzen in den IT-Abteilungen.

 

Regulatorische Anforderungen

Mit der Zunahme regulatorischer Anforderungen, wie der Executive Order 14028 in den USA oder dem Cyber Resilience Act in der EU, wird die Bereitstellung von SBOMs zunehmend zur Pflicht. Unternehmen ohne SBOMs riskieren nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch den Verlust von Aufträgen und Reputation.

 

Zusammenfassung

Die Implementierung einer Software Bill of Materials ist entscheidend für die Sicherheit und Transparenz in der Software-Lieferkette. Sie ermöglicht es Unternehmen, potenzielle Sicherheitsrisiken frühzeitig zu erkennen und zu beheben und unterstützt gleichzeitig die Einhaltung regulatorischer Anforderungen. Angesichts der zunehmenden Komplexität moderner Softwarearchitekturen ist die effektive Nutzung von SBOMs für eine robuste Cybersicherheitsstrategie unerlässlich.

Abbildung 3: Software Bill of Materials (SBOM)

4. ZERO TRUST ALS SICHERHEITSPRINZIP

Das Zero-Trust-Prinzip ist ein wesentlicher Ansatz zur Absicherung der Software Supply Chain und basiert auf dem Grundsatz, dass keinem Akteur innerhalb der Kette automatisch vertraut werden sollte. Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte und Erweiterungen dieses Sicherheitsmodells vorgestellt:

 

Kernprinzipien von Zero Trust

  • Misstrauen als Standard: Das Zero-Trust-Prinzip geht davon aus, dass sowohl interne als auch externe Akteure potenzielle Bedrohungen darstellen. Jeder Zugriff auf Ressourcen muss daher unabhängig von der Herkunft authentifiziert und autorisiert werden.
  • Strenge Zugriffskontrollen: Zugriffsanfragen werden kontinuierlich überprüft, wobei Mechanismen wie Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) und rollenbasierte Zugriffskontrolle (RBAC) eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass nur autorisierte Benutzer Zugriff erhalten.

 

Sicherheitsmechanismen in Zero-Trust-Architekturen

  • Verschlüsselung und kontinuierliche Überwachung: Zero-Trust-Architekturen integrieren verschiedene Sicherheitsmaßnahmen, um die Integrität und Authentizität von Code und Artefakten zu gewährleisten. Dazu gehören Verschlüsselungstechniken und die kontinuierliche Überwachung des Netzwerkverkehrs.
  • Mikrosegmentierung: Das Netzwerk wird in kleine, isolierte Bereiche unterteilt, wodurch die Angriffsfläche minimiert und die Ausbreitung von Bedrohungen innerhalb des Netzwerks eingeschränkt wird. Dies ermöglicht eine genauere Kontrolle des Datenverkehrs zwischen verschiedenen Ressourcen.

 

Umsetzung von Zero Trust

  • Richtlinienbasierte Sicherheit: Eine effektive Zero-Trust-Sicherheitsrichtlinie muss im gesamten IT-Ökosystem konsequent durchgesetzt werden. Dies erfordert eine umfassende Sicht auf alle Benutzer, Geräte und Anwendungen innerhalb der Umgebung.
  • Verhaltensanalyse: Die Überwachung des Nutzerverhaltens ist entscheidend, um Anomalien zu erkennen, die auf potenzielle Sicherheitsvorfälle hinweisen könnten. Greift beispielsweise ein Benutzer von einem ungewöhnlichen Ort auf das Netzwerk zu, wird dies als potenzielle Bedrohung registriert und kann zu entsprechenden Gegenmaßnahmen führen.

 

Vorteile von Zero Trust in der Software-Lieferkette

  • Reduktion von Sicherheitsrisiken: Durch die Implementierung eines Zero-Trust- Modells können Unternehmen das Risiko von Cyber-Angriffen deutlich reduzieren. Da jeder Zugriff überprüft wird, wird es für Angreifer schwieriger, sich lateral im Netzwerk zu bewegen.
  • Regulatorische Anforderungen erfüllen: Mit zunehmender Regulierung im Bereich Cybersicherheit wird die Implementierung von Zero Trust immer mehr zur Pflicht. Unternehmen, die diesen Prinzipien folgen, sind besser gerüstet, um Compliance- Anforderungen zu erfüllen und ihre Daten zu schützen.

 

Zusammenfassung

Die Integration des Zero-Trust-Prinzips in die Sicherheitsstrategie einer Software Supply Chain ist für den Schutz vor modernen Cyber-Bedrohungen unerlässlich. Durch strenge Authentifizierung, kontinuierliche Überwachung und Mikrosegmentierung können Unternehmen nicht nur ihre Sicherheitslage verbessern, sondern auch das Vertrauen in ihre Softwareprodukte stärken.

Abbildung 4: Zero-Trust-Prinzipien

5. HERAUSFORDERUNGEN BEI DER SICHERUNG DER SOFTWARE SUPPLY CHAIN

Trotz der Bedeutung der Sicherheit in der Software Supply Chain gibt es einige Herausforderungen:

1. Komplexität:
Die zunehmende Komplexität moderner Software, insbesondere durch die Verwendung zahlreicher Komponenten von Drittanbietern, macht es schwierig, alle Sicherheitsrisiken zu identifizieren und zu adressieren.

2. Mangelnde Transparenz:
Oft fehlt es an Transparenz über Herkunft und Inhalt von Softwarekomponenten, insbesondere bei Open-Source-Projekten oder Komponenten von Drittanbietern.

3. Mangelndes Sicherheitsbewusstsein:
Nicht alle Akteure in der Software Supply Chain sind sich der Sicherheitsrisiken bewusst oder verfügen über das notwendige Wissen, um diese zu adressieren.

4. Unzureichende Ressourcen:
Viele Unternehmen investieren nicht genügend Ressourcen in die Sicherheit ihrer Software Supply Chain, oft aufgrund von Budget- oder Zeitbeschränkungen.

6. FAZIT

Die Sicherung der Software Supply Chain ist eine komplexe, aber unverzichtbare Aufgabe in der modernen Softwareentwicklung. Sie erfordert ein Umdenken und die Integration von Sicherheitsaspekten in alle Phasen des Entwicklungsprozesses.

Secure Development und Zero Trust sind wichtige Prinzipien, die Unternehmen bei der Sicherung ihrer Software Supply Chain unterstützen können. SBOMs spielen eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von Transparenz und der schnellen Reaktion auf neue Bedrohungen.

Letztendlich müssen Unternehmen die Sicherheit ihrer Software Supply Chain als strategische Priorität betrachten und entsprechend investieren. Nur so können sie das Risiko von Angriffen minimieren, das Vertrauen ihrer Kunden erhalten und ihre digitalen Werte effektiv schützen.

Die Sicherheit der Software Supply Chain ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der ständige Wachsamkeit und Anpassung erfordert. In einer Zeit, in der Cyber-Angriffe immer raffinierter werden, ist dies der einzige Weg, um den Herausforderungen der digitalen Welt gewachsen zu bleiben.